Stand der Dinge
Ich kenne den Verunglückten schon lange, hab mit ihm nur selten mal gesprochen und einmal Tischtennis gespielt. Er ist einer der vielen Sifflinge die in meiner Gegend herumhängen und der dem regelmäßigen Spaziergänger eigentlich auch bekannt ist. Der Plot:
Stockbesoffen macht er sich auf den Weg nach Hause. Der Angler von dem ich euch im vorigen Eintrag erzählt habe, bat den Besoffenen kurz auf seine Angelausrüstung aufzupassen, während er sich hinter ein Stromhäuschen stellen und pissen wolle. Jetzt wurde der zum aufpassen rekrutierte angeblich noch dabei gesehen wie er sich im See die Hände waschen wollte (spätestens jetzt weiß man dass der Motherfucker total dicht war, denn der See macht eher schmutzig als sauber). Bei diesem Waschakt schien er nun ins Wasser gefallen und zu kirre gewesen zu sein, sich wieder ans Ufer zu retten, was an der vermuteten Stelle eigentlich kein großer Akt gewesen wäre. Vom Schiffen zurück bemerkt der Angler dass der Typ weg is. Die Taschenlampe wird gezückt und die Seeoberfläche durchleuchtet. Ich weiß wie das ist, ich habe so einmal nach dem Schlüsselbund meiner Nachbarin gesucht und man sieht nichts in dieser beschissenen Brühe. Er ruft die Polizei, es ist ungefähr nach halb elf in der Nacht. Wenn er wirklich in den See geflogen ist, muss er dort schon lange Zeit auf Tauchstation gegangen sein als der erste Streifenwagen ankommt. Mit mehreren Taschenlampen wird weitergesucht. Nichts. Die letzten Wellen seines heimlichen Todeskampfs zerteilen sich ohne dass es jemanden auffällt. Feuerwehr, man findet ihn, Krankenwagen, den Rest kennt ihr. Wie funktioniert Ertrinken? In einem Erste-Hilfe-Kurs habe ich gelernt: Ertrinken ist nichts anderes als das Einatmen von Flüssigkeit. Das Verkrampfen der sogenannten Stimmritzen folgt und weiteres Eindringen von Wasser in die Lunge wird dadurch verhindert. Dank dem eintretenden Sauerstoffmangel wird das Opfer bewusstlos, man nennt das Trockenes Ertrinken. Während der Bewusstlosigkeit lockern sich die Stimmritzen und Wasser dringt in die Lunge (ich glaube das nennt man dann auch wirklich Feuchtes Ertrinken). Die Lunge des Säufers der ersoffen ist, war voller Wasser...
Er hinterlässt eine Tochter die ein wenig älter ist als ich und ein Enkelkind dass seit kurzem in die Schule geht (etwas das seine Mutter lange versäumt hat und lieber mit besserer Nachsicht verfolgt hätte). Tage zuvor sprach der Typ noch mit meiner Oma und sagte ihr wie froh er darüber sei, dass er endlich eine Arbeit fand um seinem Enkel etwas kaufen zu können. Mein Mitgefühl ist bei diesem Kind und nur bei ihm. Mit seiner Mutter und ihrem "vögelfreien" Lebensstil gestraft, verlor er nun auch seinen Opa der wahrscheinlich als einziger Liebe in sein Leben brachte. Kann man Selbstmord ausschließen? Ich weiß nicht, er hatte in den letzten Tagen vermehrt mit der Polizei zu tun, schätze ihn aber als zu lebensfroh ein, trotz schwerwiegender sozialer Probleme. Keine Ahnung was ich von diesem Unglück halten soll. Vielleicht hilft es seinen Säuferkollegen sich ein klein wenig am Riemen zu reißen. Zumindest einer von ihnen ist heute noch erschreckend nüchtern. Und der Angler, der saß bis heute Morgen noch erfolglos am Angeln und stellte sich vor, wie er einen Fisch in der Größe des Ertrunkenen aus den See ziehen würde. Und ich habe von Weitem eine Leiche gesehen. Versteht mich nicht falsch, ich sehe ständig Leichen, aber die bewegen sich noch und tun so als seien sie lebendig, schreiben erfolgreich Bücher oder führen einen Blog. Das hier ist das wahre Leben und keine erfundene Geschichte. Schaltet eure von der Medienflut angelernte Taubheit ab und fühlt euch in dieses Schicksal hinein. Ziemlich Scheiße gelaufen, was? Bleibt weg vom Alkohol. Man kann auch bescheuert drauf sein ohne das Zeugs, schaut mich an.
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