Abgelenkt

Der langweilige Blog eines langweiligen Schriftstellers.

Freitag, März 16, 2007

Ach tut das gut...

Ein guter Tag beginnt für mich damit, meine spitze Zunge auszufahren und sie einem geeigneten Opfer in die Halsschlagader zu stoßen. Den Ruf ein unausstehlicher Morgenmuffel zu sein, konnte ich mir innerhalb der Familie mit Beginn der Hauptschulzeit schnell sichern (man steht ungern auf wenn man weiß, dass einen nichts Schönes erwartet). Viele Menschen verzweifelten daran, mich aus dem Bett zu kriegen. Einzig meine Oma hatte stets die richtigen Mittel parat. Von Anschreien bis Decke wegziehen und in einem anderen Zimmer verstecken, kennt sie alle Tricks. Sollte letzeres seine Wirkung verfehlen, wird im Winter auch gerne das Fenster geöffnet, bis ich bibbernd aufs Klo rennen muss und spitze Eiszapfen pinkle. Ob das allerdings eine so gute Idee ist, mich im einstelligen Stundenbereich zu wecken ... ich weiß nicht. Besonders zum Aufstehen gezwungen, sei es durch Pistolenschüsse auf der Straße oder wichtige Termine, spricht man mich am besten gar nicht erst an, außer man heißt "Fernseher".
Heute morgen bin ich nicht ganz so übellaunig aufgewacht wie sonst. Neben mir lag kein Mensch und ich konnte mir ganz ungezwungen das Morgenholz abraspeln. Danach ins Bad, Restpuller rauspieseln, waschen, rasieren, kacken, waschen. Klingeling. Hallo? Verdammt, nicht die Tür, das Telefon war's (so schnell werde ich mich nicht an die neue Klingel gewöhnen). Hallo, mit wem spreche ich?

"Guten Morgen, Trottelkopf der Name, von der Suddeutschen Spackenlotterie aus München. Bin ich hier richtig bei der Familie Nigk?"
"In der Tat, das sind Sie."
Der Telefonvertreter sprach zu mir in langgezogenen, dumpf gesprochenen Worten, mit willkürlich eingestreuter Betonung schlecht gespielter Euphorie, auffällig phlegmatisch. Ich beobachtete die Zeitanzeige am Telefondisplay.
"Hallo, Herr Nigk! Mein Name ist Trottelkopf von der Suddeutschen Spackenlotterie aus München. Grüße von München nach Neutraubling."
Damit waren wir bei 2 Minuten und 58 Sekunden angelangt.
"Grüße zurück."
"Anlässlich des 60. Jubiläumstages der Suddeutschen Spackenlotterie, haben wir in Zusammenarbeit hochrangiger Mathematiker ein brandneues Spiel-System entwickelt, dass ihre Chance auf einen Millionengewinn beträchtlich steigert. Wäre das nicht eine feine Idee schon so Früh so viel Geld zu gewinnen?"
"Da haben Sie recht, guter Mann, nur leider haben meine Familie und ich keinerlei Interesse an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Vielen Dank für ihren Anruf und einen wunderschönen Tag möchte ich Ihnen noch wünschen."
Der letzte Satz hat sich seit einer nervigen Erfahrung mit der Telecum im letzten Jahr, in meiner Rhetorik durch eine unerschütterliche Standardisation gefestigt. Spontan entschließe ich mich dazu, euch diese Story nachzureichen, jedoch bin ich der Annahme, dass ihr dessen Verlauf sicher schon zichmal in ähnlicher Form gehört habt, und das besser, als ich es je schreiben könnte. Egal. Das heb ich mir dann für die Tage auf, an denen mir nichts besseres einfällt.
"Auf Wiederhören." also, doch hey, wie so oft habe ich es mit einem Vollprofi zu tun, der sich nicht so leicht abwimmeln lässt.
"Sie können kein Geld gebrauchen?"
Rhetorische Fragen beantworte ich gerne ironisch, aber mit der Sorte Ironie, die als solche nicht zu erkennen ist: "Nein, danke. Ich habe mehr als genug."
Fast hätte ich mich an meinen eigenen Worten verschluckt, konnte aber meine Coolness bewahren.
"Das tut mir Leid für Sie. Dann muss ich es wohl bei ihrem Nachbarn versuchen."
"Oh ja, tun Sie das. Der fährt noch keinen Maserati."
Ich halte nichts von einem nachbarschaftlichen Wettrüsten in Sachen Statussymbole. Neidisch machen konnte er mich so nicht.
"Bin ich also doch bei Ihnen an der falschen Adresse."
"Leider muss ich Ihnen sagen, dass Sie's bei meinem Nachbarn damit auch wären. Der wohnt nämlich im selben Haus, selbe Adresse und trägt sogar den gleichen Anfangsbuchstaben im Nachnamen. Und soll ich Ihnen was sagen? Die Wände hier sind so dünn, dass ich meinem Nachbarn dabei zuhören kann, wie er Ihnen genau wie ich, eine eiskalte Abfuhr erteilt. Sie gestatten dass ich auflege, so lange ich noch guter Laune bin?"
Er kam mir zuvor.

tut-tut-tut-tut-tut...

Ach tut das gut.


Das hier ziemlich genau dokumentierte Telefonat dauerte 19 Minuten und 35 Sekunden. Hätte er 19 Minuten und 35 Sekunden früher angerufen, hätte er mich aufgeweckt und ich wäre sehr böse geworden. Glück gehabt.
Mein Tipp für Sie, Herr Trottelkopf: Lesen Sie ihre Worte nicht ab, solange Sie es nicht schaffen, es nach freier Rede klingen zu lassen. Und: Machen Sie ihren Hauptschulabschluss nach.

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Habt ihr's schon bemerkt? Der Eintrag läuft unter einem neuen Label. In Zukunft werde ich bestimmt noch mit vielen Vertretern zu kämpfen haben, sei es an Haustür oder Telefon. Dass ich dabei oftmals sehr zynisch reagiere - was sich diese Idioten wohl sehr zu Herzen nehmen und mich deswegen erst recht so häufig belästigen - wissen diejenigen, die mich in Aktion bewundern durften. In freudiger Erinnerung: Der hARdCORe-Türvertreter der mir am Ende einen ernstgemeinten Job anbot, als er merkte, dass ich ihn nur verarsche ("Passt schon, ich lad Sie mal zum Essen ein.", "Nenene, DU lädst mich nirgendwo ein. Wenn dann lad ich DICH ein.", man spürte dass er verbittert war und eine Einladung zum Essen hätte bestimmt nicht das Ziel gehabt, mich unverletzt nach Hause ziehen zu lassen). Habt ihr eigentlich schon mal versucht die Worte "Provision" zusammen mit "es geht mir nur um die" aus dem Munde eines Vertreters zu bekommen? Bei Herrn hARdCORe gelang es mir (es waren Ferien und ich hatte viel Zeit).

Unter dem neuen Label fällt dazu noch alles, was mir am Telefon passiert. Eine SMS von Naddel, dass Schluß is' mit Haare cummen, würde auch noch dazu gehören.
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Genießt das schöne Wetter. Regen? Dann genießt es sobald es aufgehört hat.

Regenluft ... nasse Erde ... meine Droge.

Labels:

8 kommentare von leuten die ich nicht kenne:

At 11:04 PM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

einmal war so ein typ bei mir, der mir ein zeitungsabo andrehen wollte; ich hatte grad nichts besseres zu tun, also habe ich mich auf ein gespräch eingelassen; der war echt gut, was ich ihm auch sagte und ich hätte ihm auch gerne aus lauter nettigkeit ein abo abgekauft, aber es waren alles zeitungen, die mich nur mäßig interessierten und die ich mir höchstens alle paar wochen mal kaufen würde, aber doch nicht ständig; er sagte, er hätte kein geld, manchmal wüsste er nicht, wovon er sich lebensmittel kaufen sollte, daraufhin bot ich ihm eine banane an - das war der moment, als ich ihn das erste mal sprachlos erlebte. ich sah ihn nie wieder.

 
At 9:32 AM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

Roger, Du Penner...

Weil Du´s ihn so gegeben hast, hat mich der Typ gestern angerufen. Ich war zwar etwas netter wie Du, aber naja. Ging glaub ich auch nur, weil Du ihn so vorgeschädigt hast.
Bei mir war nämlich nach dem Satz "Kein Interesse" Schluss!

 
At 9:10 PM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

ich muß mich beschweren, ernsthaft! Ich bin ihrem Link gefolgt und dann auch noch den dortigen Empfehlungen. Meine Nachbarn unter mir (sind das eignetlich Unterbarn) konnten dem jedoch nichts abgewinnen. Sie fordern die Entfernung der gelben Flecken von Ihrer Decke ein... und jetzt? ich brauche weiterführenden Rat

 
At 10:02 PM, Blogger Lady Ciriel sagt ungefragterweise...

Das sind die besten Telefonate, weil man da so viel Scheiß erzählen und die Leute verarschen kann. Kann ganz witzig werden, man darf nur nicht zu verspannt reagieren. Wir haben einen Relilehrer, der immer redet und redet und redet... hat eine Stimme aus Stahl, der Mann. Jedenfalls, manchmal machen die Zeugen Jehovas den Fehler, zu ihm zu kommen. Und dann redet er... und labert sie total voll, dass sie am Schluss froh sind, wenn sie heil weg kommen. Er glaubt natürlich immer, dass er sie von dem wahren Glauben überzeugt hat.

 
At 2:15 PM, Blogger DanielSubreal sagt ungefragterweise...

...ich glaube ernsthaft, dass können diese ganzen Vollzeitgymnasiasten überhaupt nicht nachvollziehen, was es heißt, nicht jeden Morgen in elaborierter, gewaltfreier, Kuschelatmosphäre aufzuwachen und statt Bildung ins Gehirn nur Fäuste in die Fresse gepresst zu bekommen... ...ich glaub ich nehm mir jetzt den Basi und such mir einen um ihm mal n bißchen Nachhilfeunterricht zu geben...

 
At 6:03 PM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

ein danielsurreal war nicht im gym?

 
At 10:17 PM, Blogger Lady Ciriel sagt ungefragterweise...

Nein, allerdings, das können wir nicht nachvollziehen *misstrauisch guck* Aber was hat es mit solchen Telefonaten zu tun, die Mr. Nigk hier beschreibt?

 
At 8:21 PM, Blogger Roger B. Nigk sagt ungefragterweise...

Ich bin so verpeilt, ich dachte ich hätte schon auf die Kommentare respondiert (gibt's das Wort und wenn ja macht's Sinn?). Tut mir Leid dass ich dieses Mal nicht so ganz auf euch eingehen kann, aber ich denke mal dass ihr wisst dass ich euch alle gut leiden kann. Meine Liebe braucht keinen Beweis durch Kommentare. I'm real and ya'll know that.
Und Daniel war im Gym, der hat Muskeln wie'n Stier!

Ein paar haben mich etwas gefragt. Für alle: Ja, mein Eintrag ist authentisch. Ich hab das wirklich so gesagt AUßER "Und soll ich Ihnen was sagen? Die Wände hier sind so dünn, dass ich meinem Nachbarn dabei zuhören kann, wie er Ihnen genau wie ich, eine eiskalte Abfuhr erteilt. Sie gestatten dass ich auflege, so lange ich noch guter Laune bin?", das is erfunden.
Es stimmt sogar dass der Telefontyp beleidigt aufgelegt hat. Seitdem häufen sich Anrufe vom Band "Tankgutschein zu gewinnen" und so weiter. Zufall? Rache?

 

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