Abgelenkt

Der langweilige Blog eines langweiligen Schriftstellers.

Freitag, August 25, 2006

Anthologie

"Sehr geehrter Herr Nigk, lieber Autor, (...)"
Die Bibliothek deutschsprachiger Gedichte...hatte ich vorher noch nie von gehört, erst als ich das Internet nach ein paar Möglichkeiten durchforstete, mein dichterisches Talent unter Beweis zu stellen. Ein jährlich stattfindender Wettbewerb sollte es sein, bei dem ich mein Debut feierte. "Aus Tausenden eingereichter Beiträge wollen wir nicht nur die Werke der Preisträger, sondern auch noch eine Auswahl weiterer Gedichte beachtenswerteer Autorinnen und Autoren veröffentlichen. Wir verbinden mit dieser besonders aufwendig konzipierten Publikation [der Anthologie-Buchausgabe 'AUSGEWÄHLTE WERKE IX'] das Ziel, die Qualität der deutschsprachigen Lyrik unserer Zeit zu erfassen und diesen Sprachsatz an künftige Generationen weiterzugeben." Whoa, wartet mal...wer hat die künftigen Generationen gefragt ob die so'ne Scheiße überhaupt wollen? Das Schlimme ist, die meinen das wohl auch noch ernst! Warum sonst der Buchdruck auf alterungsbeständigem Papier? Sie haben also das Ziel, die Qualität der deutschsprachigen Lyrik unserer Zeit zu erfassen. Die "Qualität". Ich könnte auf schwarzes Druckpapier abspritzen und ihr habt die Qualität der gegenwärtigen deutschsprachigen Lyrik auf einer Seite. So spart ihr euch das aufwendige Halbleinenband mit Goldprägung vom Genitalis-Verlag und könnt es trotzdem zum Preis von 60 € an den Mann bringen (wer jetzt denkt ich befriedige die Nachfrage allein, dem sei gesagt: Leg Hand an, Penner! Ernsthaft, ich wichs doch keine 1000 Zettel an, zu aufwendig).
"Nach eingehender Beratung freuen wir uns sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Gedicht 'Größter Wert gleich 0' für die Veröffentlichung in der nächsten Anthologie-Buchausgabe der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte vorgesehen ist." Was? MEIN Gedicht?! Welche Ehre. Aber warum steht da nix von Geld? Kein Geldpreis? Wenigstens Kohle für die Veröffentlichung. "Wir werden Sie rechtzeitig über den Erscheinungstermin der Anthologie informieren. Als Autor erhalten Sie die Möglichkeit, bis zu drei Exemplare des Bandes vergünstigt zu beziehen." Wie bitte?! Ich soll auch noch zahlen? Fick deine verfickte Vergünstigung, du arschgeficktes Stück Scheiße! ICH WILL'S UMSONST!!! DU HAST MEIN HURENFICKENDES GEDICHT, DU HURENFICKENDER HURENFICKER, CHEF-FOTZENLECKTOR, verfickter Hurenfick nocheins!!!
Geduld. Ruhe. Meditation. Vielleicht bekomm ich ja doch noch'n Exemplar umsonst. Aber lassen wir mal die Hosen runter: Das ganze is'ne Farce! Die haben 1024 Seiten die es zu füllen gilt. Bei einem Gedicht á 20 Zeilen macht das um die 1000 Autoren. Jetzt trau ich denen zu, dass höchstens 800 Gedichte eintrafen. Die MUSSTEN mich einfach dazunehmen, sonst hätten sie verschollene Goethe-Gedichte nehmen müssen, die er damals unter einem Pseudonym schrieb, die aber einfach zu beschissen und ja auch nicht mehr ganz "Literatur unserer Zeit" sind. Demnach wird die diesjährige Anthologie 824 Seiten haben und mir gehört (bestenfalls) eine davon. EINE SEITE VON HUNDERTEN! Mit was für Stolz mich das erfüllt, mit falschem Stolz, aber ich bin Stolz...auf mich...dafür dass ich diesen Mist mitgemacht habe und damit eine Erstveröffentlichung meines Könnens *hust-hust* auf die Menschheit losgelassen wird (oder eben nur auf die 799 Idioten die das Buch auch wirklich kaufen, bloß weil sie jeweilig im Umfang einer einzigen scheiß Seite drin vorkommen). Traurig, traurig, was derzeit von deutschen Verlägen alles so herumgeworfen wird, wie von feindseligen Äffchen Kothaufen (ich spreche nicht von books-on-demand, da is eh alles Schrott). Daran muss sich was ändern, ICH muss etwas daran ändern. Ich muss Welle machen, Aufmerksamkeit erhaschen, Menschen mit meinen Worten verletzen, denn sie schauen nur zu einem hoch wenn man ihnen weh tut (das wusste schon Gott). Helft mir meinen Namen Publik zu machen. Lasst euch den Namen Roger Buscapé Nigk in die Intimregion eintätowieren damit eure Eltern es lesen und ihren Freunden erzählen können. Seid Wegbegleiter, ich bleibe euch treu.


"Seid Wegbegleiter, ich bleibe euch treu.", was für ein Schluss das gewesen wäre, aber nein, ich muss noch was über die drei ersten Preisträger loswerden. Wonach wird da gewertet? Diese drei Vollidioten (zwei Weiber, ein Kerl) wussten doch selbst nicht was sie da schrieben. Ich sehe deutsche Worte, aber keine deutschen Sätze. Was sollen uns diese Gedichte sagen? Sollen sie uns verwirren? Wir Menschen sind schon von Haus aus genug verwirrt, besonders diejenigen die Gedichte lesen. Sollten wir als Autoren unseren Schutzbedürftigen da nicht etwas leichtere Kost servieren, um sie auf diesem Wege von ihrer Verwirrung zu heilen, eben durch entwirrende Gedichte? Najut, meine "FANS" wissen dass ich mich selbst nicht immer ganz schlüssig ausdrücke, egal in welcherlei Hinsicht, aber diese Poeten! DIESE POETEN! Die wissen selbst nicht was sie schreiben, im Gegensatz zu mir. Ich weiß was ich schreibe, ich weiß es sogar ganz genau. Ich durchdenke jede Zeile, jedes Wort steht da weil ich es so will. Das würdigen bzw erkennen diese Jury-Fotzen nicht, weswegen sonst bin ich nicht unter einem der wasweißichwievielen Preisträgern? Würde gern auch die anderen Plätze sehen. Sicherlich gibt es nicht mal ne Jury. Die Sieger werden per Losziehung ermittelt und wenn ein wirklich beschissenes Anfängergedicht gezogen wird, prüft es ein Deutschlehrer auf Abstrakion und wenn es nicht abstrakt genug ist, werfen sie's weg und ziehen neu. Für die Gelegenheitsleser und Möchtegern-Intellektuellen inszeniert. "Ja, ich versteh zwar ned was des bedeuten soll, aber es klingt klug irgendwie irgendwo, weiß ned warum, aber is so. Poesie halt, die versteht man ned, die liest man nur für'n Trip in Schwachsinn, da braucht man keine Drogen, nur Drogen-Gedichte, LSD und so lassen wir den Poeten damit sie uns Gedichte schreiben und Geld-Preise für mehr Drogen gewinnen, yeah!" Das is der Plan hinter dem Ganzen. Die Drogensüchtigsten kriegen das Geld für mehr Drogen, ergo: Mehr Gedicht-Output, von dichten Dichtern. Nicht dass s'e die Kohle für Essen oder Miete bräuchten, so wie ich...
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3 kommentare von leuten die ich nicht kenne:

At 2:34 PM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

Das dürfte dann auch erklären warum du kein Porto für den Antwortbrief zahlen musstest. Die rechnen mit deinem Kauf der Anthologie. GEGEN DAS SYSTEM, MEIN BRUDER! GEGEN DAS SYSTEM!

 
At 11:27 AM, Blogger DanielSubreal sagt ungefragterweise...

@Roger: Vielleicht geht es um Valium. Einfach mehr und mehr Valium. Und wenn das chemische nicht mehr wirkt, dann literarisches.

Über die Zweitplatzierte des letzten Jahres, fand ich folgendes auf einer Website:

"Bunt und in immer wechselnden Bildern, so sieht Christel Bode das Leben."

Aha, soso, interessant, hoch... äh.. nein, nicht aussagekräfig...
Soll das heißen sie ist nicht farbenblind oder was? Vielleicht wird ihr mal schwarz vor Augen, wenn sie mal ne Ladung weiße Soße die Augenlieder verkleben fühlt.

"Dass man es mit Kunst zu tun hat, merkt man daran, dass es ungemütlich wird." Dirk Baecker

@christ: Gegen das System - aber was, wenn man von einem ins andere rutscht? Geht man aus dem einen raus, landet man im nächsten - übergangslos (so mein Eindruck).

Was, wenn man mit seinen Negationen immer das Spiel der anderen Seite macht (so wie der Teufel als Widersacher Gottes, nur zu dessen Stärkung beiträgt)?

Und dann bleibt der noch der Satz von Benjamin (pardon, ich habs heute mit den Zitaten, muss daran liegen, dass mein eigenes neuronales System von der letzten Nacht noch zerschlagen am Boden liegt...):

"Nur der Einverstandene hat Chancen die Welt zu ändern."

...das soll alles keine Widerrede sein, sondern nur sagen, dass ich mich diesbezüglich in einem Dilemma befinde ...

 
At 4:36 PM, Anonymous Anonym sagt ungefragterweise...

@danielsurreal: "GEGEN DAS SYSTEM!" bezog sich vielmehr auf einen Insider-Witz, deine These würde ich aber jetzt doch gerne aufrollen. Wenn Roger sich gegen das System der schriftstellerischen Ausbeutung durch Kauf der Anthologie stellt, in welches andere System rutscht er dann? Ins System des ewigen Negierens? Er ist potentieller Nein-Sager, fast schon nihilistisch, also rutscht er nicht rein, sondern er ist schon die ganze Zeit drin. Es ginge zu weit zu behaupten dass er damit das Spiel der anderen Seite macht, da er diese bescheuerte Anthologie ja nicht kauft und weiterempfiehlt (trotz schmackhafter Vergünstigung dreier Exemplare), so wie's eigentlich von ihm verlangt wird.

"Nur der Einverstandene hat Chancen die Welt zu ändern."
Mit was muss man einverstanden sein um die Welt zu ändern? Man muss damit einverstanden sein, sich gegen Normen, teils sogar eigene Prinzipien zu stellen um etwas zu ändern, außer man möchte den Laden von innen zerstören. Da hilft es zu allem ja zu sagen bis man sich zur Chefetage hochgearbeitet hat, wo sich der beste Ausgangspunkt für einen Amoklauf befindet.

...das soll alles keine Widerrede sein, sondern nur ach keine Ahnung...Rechtfertigung? Nein, das auch nicht. Keine Ahnung.

Peace out

 

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