Abgelenkt

Der langweilige Blog eines langweiligen Schriftstellers.

Sonntag, Juli 23, 2006

Sunday, sunny sunday

Heute vor zwei Wochen. Ich war in der Kirche (ja, ich gehe regelmäßig). Was macht man in der Kirche? Man hört einem Pfarrer zu wie er göttliche Worte aus seinem heiligen Munde ejakuliert und alte Frauen mit religiöser Gottesfurcht schwängert. Man hört auch Rentnern beim schief singen zu. Man wirft 50 Cent in den Klingelbeutel. Man liest die Gottes-Lob-Texte mit, singt sie aber nicht. Beim Schuldbekenntnis betet man nicht mit, weil man sich keiner Schuld bewusst ist (man geht auch nicht beichten deswegen). Beim Glaubensbekenntnis kratzt man sich kurz am Kopf und haltet Ausschau nach jungen Weibchen (bloß keine Minderjährigen) und versteckt seinen Ständer hinter den gefalteten Händen (diese Weiber in ihren Sommerkleidern machen mich einfach verrückt, da hilft kein kühlendes Weihwasser und auch kein kirre machender Weihrauch mehr). Dann drückt man sich beim „Friede sei mit dir“ vor dem Handgeben, außer eine geile Schnalle sitzt neben einem. Der soll man natürlich schon die Pfote geben. Vorher noch heimlich Schweiß an der Hose abwischen und prophylaktisch bereits vor der Kirche den Wichsgeruch wegschrubben ist MUSS. Und schön lächeln dabei, bloß nicht allzu auffällig in den Ausschnitt schielen, Augenkontakt halten und in einem männlichen Ton „Friede sei mit dir“ sagen, dabei etwas nicken und noch breiter grinsen. Und bloß keinen Lochlassenden Händedruck! Etwas fester darf’s schon sein solange man der Dame nicht weh tut. Auf der anderer Seite finde ich es total anziehend wenn eine Frau einen starken Händedruck hat. Gibt es etwas geileres? Wie schon vorher erwähnt aber nie vergessen: Die tiefe Stimme. Jetzt hab ich an und für sich eine sehr helle Stimme wenn ich mit anderen Leuten etwas lauter spreche. Deswegen muss ich schwer darauf aufpassen, dass man nicht merkt wie anstrengend ich die Stimme verstellen muss, damit sie halbwegs tief wirkt. Tiefe Stimmen gehen tief. Die Vibrationen gehen in ihre Ohren und schwingen von dort aus bis an die empfindlichen Stellen der Vagina, wo sie ein erregendes Wohlgefühl verbreiten, was ihre Nippel steif macht und sie nach längerem Stehen direkt an meiner breiten Schulter sich einen Fick unterm Altar vorstellen lässt, während des Gottesdienstes, wohlmöglich sogar während der Eucharistie. Zu dieser geht man nämlich nicht hin. Man steht auf wenn andere in der Sitzbank vorgehen und sich Jesus-Chips abholen wollen, aber man selbst sträubt sich, weil nur Menschen reinen Gewissens sich anstellen. Dabei habe ich aber wahrscheinlich mehr Grund dazu als manch anderer Heuchler. Das alles will ich jetzt aber nicht schildernd ausbuchten. Es geht mir um was anderes. In der seitlichen Partei, fast die selbe Sitzreihe, nur links von mir, saß ein Junge von geschätzten 8 Jahren. Er saß dort mit seinem Vater und verfolgte den Gottesdienst ruhig und anständig. Doch plötzlich: Unangemeldet bekam der Kleine einen epileptischen Anfall. Er warf seinen Kopf weit nach hinten in den Nacken, fiel wild zitternd und schlug an der Sitzkante auf. In einer extrem unnatürlichen Körperhaltung lag er auf dem Sitzkissen, die Beine unter der Bank verhakt, weswegen sein Vater – der zwar hektisch schien aber dennoch einen routinierten Eindruck machte – ihn nicht hochheben konnte. Ein Mann der daneben saß zerrte mit an dem wild schüttelnden Körper und ich wollte ihnen noch sagen dass man diese verfickte Kniebank - welche vornehmlich am Feststecken des Jungen Schuld war - hochklappen konnte, aber sie sahen und hörten mich nicht. Alle Blicken waren auf das dramatische Treiben gerichtet. Nur der Pfarrer war damit beschäftigt die Eucharistie vorzubereiten und würdigte dem Ganzen auch so keinen Blick, trotz des lauten Aufschlags vom Kopf des Jungen. Nach kurzer Zeit sah er schon hin, putzte dabei aber weiter seinen Messkelch. Nach einigen Sekunden schafften sie es den armen Bub zu befreien (es sah nicht gerade sehr fürsorglich aus wie sie an ihm rissen und zerrten). Der Vater trug seinen Sohn, der tief stöhnte und die verdrehten Augen aufriss, nach draußen. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Und die ersten zerrissen sich schon das Maul. Ich empfand tiefstes Mitleid mit diesem Jungen. Ich löste meine gefalteten Hände, schlug den Gottes-Lob zu, betete kurz für den Kleinen, verfolgte die Messe aber extrem passiv und uninteressiert. Der Pfarrer hätte irgendwie reagieren können und die Erbittung von Gesundheit des Kleinen in die Messe einbauen müssen oder was weiß ich, aber nein, er tat es nicht. Er hätte nach der Kirche sofort rausstürmen sollen um sich nach dem Jungen zu erkundigen, ihm vielleicht die Hand auflegen oder so. Solche Gesten hätten das Herz des Kleinen berühren, ihn zu einem frommen Christen machen können. In seinem späteren Leben könnte ihm dieser Glauben etliches sehr erleichtern. Aber nein. Ich kam zum Überlegen. Ich dachte über mich selbst nach. Ich dachte sogar über die Dinge nach, die ich dachte. Ich wurde sehr ernst. Und ein bisschen hätte ich auch weinen wollen, so dumm das für euch auch klingen mag, seid ihr doch anderes von mir gewohnt. Wie hätte ich reagiert, wäre ich daneben gesessen? Ich war mir meiner panischen Gelähmtheit bewusst während er epilepsierte (dieses Wort gibt es nicht, aber ihr wisst was ich meine). Was, wäre er mein Sohn? Du kannst Eltern ihr behindertes Kind im Rollstuhl spazieren fahren sehen, dich in den Weg stellen und dem Kind ein Eis kaufen, ihm gut zureden und den Kopf tätscheln. Doch was, hätte man 24 Stunden damit zu tun? Die Angst, vielleicht noch ein ewig nagendes Schuldgefühl weshalb auch immer. Familiär gesehen kann ich mir das alles gut vorstellen, ich kenne das in gewissem Maße, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Was wäre er mein eigener Sohn…

Als die Glocken zum christlich normierten Trauer-Ende läuteten, ging ich nach draußen und hörte den Menschen zu, wie sie gesehenes in Worte hüllten und auf den Parkplatzboden der Kirche erbrachen. Irgendwie ekelte es mich an, zu einer Gemeinde zu gehören, in der niemand auch nur annähernd irgendwas in seiner Brust hat, was auf andere in positiver Weise abstrahlen könnte. Ob ich selbst so etwas in mir trage? Manche mögen „ja“ sagen, umso mehr stimmen aber wohl „nein“, geht mir aber an der Riemenkante vorbei, ehrlich gesagt. Jetzt würde ich gerne mein verkrampftes Gesicht entspannen und mich ausruhen. Etwas dass ich bisher trotz Semesterferien noch nicht geschafft habe.
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