Abgelenkt

Der langweilige Blog eines langweiligen Schriftstellers.

Mittwoch, November 01, 2006

Allerheiligen 2006

Heute zum Grab meiner Mutter gefahren. Zum ersten Mal selbst am Steuer. Die voriges Jahr erwähnte Hand dürfte immer noch nicht abgezählt sein, aber ich halte mich ran um das Verhältnis aufzubessern. Man steht davor, studiert die Inschriften, starrt in die Blumen, lässt den Blick über die Nachbarsgräber wandern und kriegt harte Blätter ins Haar geweht. Im Gottesdienst sieht man den ein oder anderen, der schon letztes Jahr am gleichen Platz stand. Leute starren einen an, weil ein Fremder in dieser kleinen Gemeinde auffällt wie ein Stück Teppich auf dem Parkett des Wiener Opernballs. Während des anschließenden Umzugs zurück zum Friedhof, zwinkert man ein paar Mädels zu, die neben einem herlaufen. Man atmet streckenweise von Weit hergeholte Landluft ein und fühlt sich in der Fremde sogar ein bisschen wohl.

Dieses Jahr war meine Oma mütterlicherseits auch dort. Natürlich erkannte sie mich nicht. Wir standen vor dem Grab und nach dem Segen des Pfarrers sah sie mich mit ihren verweinten Augen an. Sie hatte meinen Brief bekommen. Es gab wichtige Dinge zu besprechen. Teile der Verwandtschaft sollten mir vorher noch gezeigt werden, diese waren aber alle schon vorzeitig gegangen. Mein Vater fuhr längst um 5 Uhr in der Früh für sein jährliches Grabpflege-Ritual voraus. Jetzt wo es Nachmittag war, stand er bei uns. Ich gab mein bestes um so entfremdet wie es nur ging zu wirken. Das sollte nicht ich sein, der da mit ihr spricht. All meine Sympathien und Eigenarten waren auf ein notwendiges Minimum heruntergeschraubt. Man konnte in diesem Augenblick spüren dass er mein Vater war, dermaßen ähnlich wirkte ich, so leer. Ich erzählte ihr von meinen Hobbies. Sie fragte sich von wem ich das wohl habe und nannte mich Künstler.
Ich sehe ein Stück weit aus wie meine Mutter, sagte sie. Ich glaube, das stimmt nicht. Meine Schwester dagegen gliche meiner Mutter aufs Haar genau. „Als wäre sie aufgestanden.“ Im vertiefenden Gespräch über meine Verwandtschaft erklärte sie, was für ein Mensch meine Schwester sei. Sie soll sehr temperamentvoll sein, das läge in der Familie, und ein Blick auf mich sagte ihr, dass ich ganz bestimmt dasselbe Temperament habe, die aufbrausende, energische, hitzige Art. Das mag stimmen, jedenfalls hing mir dies meine nahe Verwandtschaft des Öfteren bereits nach. Ich werde eine sehr dominante Persönlichkeit kennen lernen, die ihren eigenen Kopf hat, sagte sie, und sie wolle wirklich dass wir endlich zusammen kommen. Erklärungen weswegen es wohl mehr als 21 Jahre brauchen wird bis dies erbracht sei, klangen in meinen Ohren nach Abweisung meiner Person. Ich bin der eigenen (Halb)Schwester fickegal...

Sie habe zwei Töchter, fünf und drei. Gott, ich wünsche sie mir zu sehen. Ich bat nach Bildern, welche mir bald zukommen sollen. Ich möchte sie in den Arm nehmen, mit ihnen spielen, reden, ihnen einfach Onkel sein, ein guter Onkel der freudig erwartet wird wenn er auf Besuch kommt. Wunschdenken, ist mir schon klar. Sie wohnen zu weit weg als dass ich eine innige Beziehung zu ihnen aufbauen könnte, ist leider so. Ich werde auch nie die persönliche Distanz überwinden können, in der ich gewissenlos reden kann, über alles und mich. Der Gedanke gefällt mir aber immer mehr, vollwertige Verwandte zu haben, die sich lückenlos in meine eigene Familie einfädeln lassen. Kann man sich irgendwie arrangieren damit mein Name wenigstens Neuzuwachs des Wortschatzes wird? Wenigstens der, der Kinder.

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G. N.

*1963

+1985

An deinem Sterbetag werd’ ich an dich denken, auch wenn ich dich nicht kenne.

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Weil doch heute Allerheiligen ist und man an so einem Tag keine Musik hört (so ist und war das schon immer bei uns zu Hause, selbst die Autofahrt über blieb das Radio aus), habe ich ein ganz feines Stück Musikgeschichte herausgekramt. Ich weiß nicht mehr wann ich das Video zum ersten Mal sah, es lief jedenfalls in der alten VIVA-Sendung Metalla und zwar bei einem Six Feet Under Special (Leute die zurückrechnen werden erkennen dass ich wohl nicht ganz in Ordnung gewesen sein durfte; in so jungen Jahren solche Musik zu hören…tz tz tz).

Die wohl fähigste Metal-Sängerin, Karyn Crisis, die ich noch heute liebend gerne mal ficken würde um mich danach an ihren Dreadlocks aufzuhängen, genießt sie, Leute. Sie is’ auf jeden Fall geiler als die Otep, meiner Meinung nach.

Crisis – Different Ways of Decay


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